Das FG Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 28.03.2017 (11 K 2427/13) entschieden, dass eine Stromentnahme zum Betrieb einer Lüftungsanlage in einer Filiale eines Handelsunternehmens nicht nach § 9b StromStG entlastungsfähig ist.
Welche Voraussetzungen hat eine Steuerentlastung nach § 9b Abs. 1 StromStG?
Nach § 9b Abs. 1 Satz 1 StromStG wird einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (UPG) auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich nach § 3 StromStG versteuerten Strom gewährt, wenn dieser Strom für betriebliche Zwecke entnommen worden und nicht nach § 9 Abs. 1 StromStG von der Steuer befreit ist. Für die Entnahme von Strom zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kälte, Druckluft und mechanischer Energie wird die Entlastung jedoch nur unter der Voraussetzung gewährt, dass diese Erzeugnisse nachweislich durch ein UPG oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft genutzt worden sind (§ 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG). Auf dieses Erfordernis kann nach § 9b Abs. 1 Satz 3 StromStG nur bei der Verwendung von Strom zur Erzeugung von Druckluft verzichtet werden, sofern diese in Druckflaschen oder anderen Behältern abgegeben werden.
Wer nutzt die erzeugte Nutzenergie im Sinne des § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG?
Im Streitfall versorgte die Klägerin die Betriebsstätten der Abnehmer (Filialen eines Handelsunternehmens) in dem von diesen benötigten Umfang mit Licht, konditionierter Raum- und Frischluft sowie mit Wärme und Kälte. Zu diesem Zweck verpflichtete sie sich im Belieferungsvertrags zum Betrieb der in den Ladengeschäften ihrer Abnehmer vorhandenen – diesen entweder gehörenden oder von ihnen geleasten – Anlagen (Lüftungsanlagen, Heizungsanlagen zur Erwärmung der Raumluft und/oder Kälteanlagen zur Kühlung derselben); soweit eine Heizungsanlage beim Abnehmer nicht vorhanden war, sollte für das jeweilige Ladengeschäft Fernwärme bezogen werden. Die Klägerin ist der Auffassung, sie nutze die Nutzenergie, da sie sich gegenüber den Abnehmern verpflichtet hat, deren Räume zu belüften und mit Wärme und Kälte zu versorgen. Sie habe den Strom zur Erzeugung von Nutzenergie entnommen und selbst als UPG genutzt.
Dieser Auffassung hatte das beklagte Hauptzollamt (HZA) widersprochen und eine Entlastung versagt. Das FG Baden-Württemberg teilt die Auffassung des HZA.
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 24. September 2014 – VII R 39/13 (BFHE 247, 176, BFH/NV 2014, 2009) ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der zum 1. Januar 2011 eingeführten Regelung die Intention verfolgt habe, die Fälle des sog. „Schein-Contractings“ einzuschränken und eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Steuervorteilen zu verhindern. Um die faktische Inanspruchnahme durch nicht begünstigte Unternehmen weitgehend auszuschließen, sei die Regelung getroffen worden, dass u.a. der Verbrauch von Strom für diese Zwecke nur begünstigt ist, soweit die genannten Erzeugnisse auch durch ein UPG oder ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft tatsächlich genutzt werden.
Hiervon ausgehend reicht es nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg für die Steuerentlastung noch nicht aus, dass ein UPG Strom entnimmt, um damit einen Umwandlungsprozeß in Gang zu setzen und zu unterhalten, in dessen Verlauf Nutzenergie in Form von Licht, Wärme, Kälte, Druckluft oder mechanischer Energie zum Zwecke der Weiterlieferung erzeugt wird.
Wer ist beim Betrieb von Lüftungsanlagen Nutzer im Sinne des § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG?
Indem der Gesetzgeber den Nutzen nicht auf die – in einem ersten Schritt – stattfindende Stromentnahme, sondern auf das Ergebnis der – in einem zweiten Schritt – mit Hilfe des Stromeinsatzes in Gang gesetzten Energieumwandlungsprozsses bezogen hat, habe er deutlich gemacht, dass es ihm im Anwendungsbereich des § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG nicht um den Nutzen bei demjenigen geht, der mit dem Strom die Anlage betreibt, mit der der Strom in ein anderes Energieerzeugnis umgewandelt wird. Vielmehr sei zu fragen, wer das auf diesem Wege entstandene Energieerzeugnis nutzt. Wie dies bei einer Beleuchtungs-, Heizungs- oder Kühlanlage die jeweiligen Besitzer der Räumlichkeiten sind, die mit der umgewandelten Energie beleuchtet, geheizt oder gekühlt werden, so sei dies bei einer strombetriebenen Lüftungsanlage derjenige, dessen Räume damit belüftet werden. Nur wenn auch er ein UPG betreibt, sei die Stromentnahme nach § 9b Abs. 1 Nr. 2 StromStG entlastungsfähig. Das FG Baden Württemberg hat die Revision zugelassen.
Kritische Anmerkung:
Es kommt nach § 9b Abs. 1 Satz 2 StromStG darauf an, wer die entstandenen Energieerzeugnisse Licht, Wärme, Kälte, Druckluft oder mechanischer Energie tatsächlich nutzt. Die durch die Lüftungsanlage und deren Ventilatoren erzeugte „frische Luft“ ist aber kein solches entstandenes Energieerzeugnis.
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