EuGH statuiert eine Verzinsungspflicht von Erstattungsansprüchen entgegen dem Wortlaut von ZK und UZK auch im Zollrecht (EuGH, Urt. v. 18.1.2017, C-365/15, Wortmann KG)

Warum bisher keine Verzinsung von Erstattungsansprüchen im Zollrecht?

Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen. Art. 116 Abs. 6 UZK lautet: „Im Falle der Erstattung“ von Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbeträgen „sind von den betreffenden Zollbehörden keine Zinsen zu zahlen.“ Eine entsprechende klare Regelung fand sich auch in Art. 241 ZK. Grund dieser Regelung ist, dass aufgrund der raschen Abwicklung der Zollabfertigung und der nur kurzen Zeit für die Prüfung des Sachverhalts Fehler bei der Berechnung der Einfuhrabgaben entstehen können und solche Fehler, wenn sie bei einer späteren Prüfung erkannt werden, auf beiden Seiten (Zollverwaltung und Wirtschaftsteilnehmer) keine Verzinsung von Nachforderungs- und Erstattungsansprüchen zur Folge haben sollen.

In der Praxis führte dies dann zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen, wenn die Erstattungsansprüche nicht auf einem (Rechen-) Fehler aufgrund der raschen Abwicklung der Zollabfertigung beruhten, sondern auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung der Zollbehörden, auch nachdem sie hinreichend Zeit für die Prüfung des jeweiligen Sachverhalts hatte. Durch die lange Bearbeitungszeit von Erstattungsanträgen und die lange Dauer von Einspruchsverfahren, die häufig ruhen oder ausgesetzt werden, bekommt der vermeintliche Abgabenschuldner häufig erst nach Jahren Recht. Eine Ungleichbehandlung mit der Verzinsung von Erstattungsansprüchen im Steuerrecht (§ 233a AO) erscheint in diesen Fällen nicht begründbar. Dies war zwar bedauerlich, konnte aber angesichts des klaren Wortlauts des Art. 241 ZK und heute des Art. 116 Abs. 6 UZK nicht in Frage gestellt werden.

EuGH: Verzinsung von Erstattungsansprüchen grundsätzlich auch im Zollrecht

Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des FG Düsseldorf hin hat der EuGH in der Rechtssache C-365/15, Wortmann KG am 18.01.2017 nun entschieden: „Werden Einfuhrabgaben, zu denen auch Antidumpingzölle gehören, deshalb erstattet, weil sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, besteht eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten, Rechtssuchenden, die einen Anspruch auf die Erstattung der entrichteten Beträge haben, diese ab dem Zeitpunkt ihrer Entrichtung zu verzinsen.“ In dem Rechtsstreit geht es um die Verzinsung der Erstattung von Antidumpingzöllen, der EuGH hat jedoch sein Urteil ausdrücklich auf alle Einfuhrabgaben bezogen. Über den entgegenstehenden klaren Wortlaut von Art. 241 ZK bzw. Art. 116 Abs. 6 UZK setzt sich der EuGH durch eine teleologische Reduktion des Wortlauts hinweg.

EuGH: Verzinsung von Erstattungsansprüchen nur ausnahmsweise gem. Art. 241 UZK bzw. Art. 116 Abs. 6 UZK ausgeschlossen

Art. 241 ZK und heute Art. 116 Abs. 6 UZK sind danach nur dann anwendbar, wenn der Fehler bei der Berechnung der Abgaben im Zeitpunkt der Zollanmeldung erfolgte und dieser Fehler bei der Berechnung bei einer späteren Prüfung festgestellt wird. Soweit es um Fehler bei der Rechtsanwendung durch die Zollbehörden geht, gilt Art. 116 Abs. 6 UZK bzw. Art. 241 ZK dagegen nicht.

Wie hoch sind die Erstattungszinsen?

Die Höhe der Erstattungszinsen richtet sich nach § 238 AO. Sie betragen somit für jeden Monat einhalb Prozent. In seinem (Folge-) Urteil vom 3.5.2017 (4 K 3268/14 Z) hat das FG Düsseldorf im Ausgangsfall der Klägerin Erstattungszinsen in entsprechender Höhe zugesprochen.

Welche Folgerungen sind aus dem Urteil des EuGH in der Praxis zu ziehen?

Zukünftig muss bei jeder Erstattung von Einfuhrabgaben eine Verzinsung der Erstattungsansprüche beantragt werden. Bei Fällen aus der Vergangenheit ist zu prüfen, ob die Festsetzungsfrist des § 239 Abs. 1 AO noch nicht abgelaufen ist und, wenn dies der Fall ist, ein Antrag auf Verzinsung der Erstattungsansprüche gestellt werden.

Kritische Anmerkung: Die Abgrenzung, wann Erstattungszinsen zu leisten sind, ist unscharf und wird im Einzelfall zum Streit führen. Auch greift der EuGH in das Gefüge des Zollrechts ein. Danach sollen Fehler jedenfalls auf beiden Seiten (Zollverwaltung und Wirtschaftsteilnehmer) keine Verzinsung von Nachforderungs- und Erstattungsansprüchen zur Folge haben. Soweit der EuGH somit nun eine Pflicht zur Verzinsung von Erstattungsansprüchen statuiert, müßte konsequenterweise die Zollverwaltung eine Verzinsung der Nachforderungsansprüche aufgrund einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung verlangen können.

Wolf-D. Glockner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern

14.07.2017